Glossar Hessen
In das Glossar wurden Begriffe aufgenommen, die sich auf Institutionen, Amtsträger und herrschaftliche Tätigkeitsfelder in der zweiten Hälfte des 17. und der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts in der Landgrafschaft Hessen-Kassel beziehen.
Im Anschluss an das Glossar finden sich Erläuterungen zur Struktur der kommunalen und landesherrlichen Verwaltung und Justiz im hessischen Amt Grebenstein sowie in den übergeordneten Instanzen.
|  
         Quellenbegriff  | 
       
         Erläuterung  | 
    
|   abhören  | 
        Rechnung prüfen  | 
    
|   Accidentalien  | 
        anlassbezogene Einkünfte  | 
    
|   Accis-Schreiber  | 
        Rechnungsführer bei der lokalen Akziseerhebung  | 
    
|   Actuarius  | 
        siehe Amtsschreiber und Stadtschreiber  | 
    
|   advocatus fisci  | 
        ‚Staatsanwalt’, landesherrlicher Aufsichtsbeamter über Gemeinden, Behörden und Amtsträger  | 
    
|   Akzise  | 
        Verbrauchssteuer  | 
    
|   Amt, fürstliches  | 
        unterster landesherrlicher Verwaltungsbezirk (nicht im Sinne von officium!)  | 
    
|   Amtschultheiß  | 
        siehe Schultheiß  | 
    
|   Amtsexercitienbuch  | 
        statistische Dokumentation eines Amtes (Bevölkerung, Dienste, Abgaben, Rechte und Gewohnheiten), geführt vom Schultheißen  | 
    
|   Amtsschreiber  | 
        Schreiber, zuständig für die Aktenführung in Justiz und Verwaltung des Amtes  | 
    
|   Bauherr, Bauheger  | 
        Aufsichtsperson, städtische Baupolizei  | 
    
|   Beamte zu Grebenstein  | 
        zusammenfassende Bezeichnung für Amtschultheiß und Rentmeister (ggf. auch Oberamtmann)  | 
    
|   Bedienung  | 
        Amt [officium]  | 
    
|   befördern  | 
        versetzen (nicht ein höherrangiges Amt übertragen!)  | 
    
|   Bestallung  | 
        Berufung in ein landesherrliches Amt, umfasst Instruktion, Revers und Eidesleistung  | 
    
|   Beständer  | 
        Pächter  | 
    
|   Bürgermeister und Rat  | 
        städtische Obrigkeit, Kollegium  | 
    
|   Cämmerer, Camerarius  | 
        für das städtische Rechnungswesen zuständig  | 
    
|   Cantzler  | 
        leitendes Regierungsamt  | 
    
|   Citation  | 
        gerichtliche Ladung  | 
    
|   Conductor  | 
        Zeitpächter (meist landesherrlicher Güter)  | 
    
|   Consul regens  | 
        amtsführender Bürgermeister; Bürgermeister des neuen Rats  | 
    
|   Contribution  | 
        landesherrliche Steuer auf Liegenschaften und Haushalte  | 
    
|   Contumacien-Buße  | 
        Strafe wegen Fernbleibens trotz Ladung (meist Geld, selten Arrest)  | 
    
|   Diakon  | 
        zweiter städtischer Pfarrer  | 
    
|   Domäne  | 
        landesherrliches Eigengut  | 
    
|   Ehepakten  | 
        Ehevertrag, oft anläßlich eines Verlöbnisses abgeschlossen  | 
    
|   erkennen  | 
        urteilen  | 
    
|   Erkenntnis  | 
        Bescheid, Urteil  | 
    
|   Eviction  | 
        Sicherstellung durch Vertragsparteien  | 
    
|   Execution  | 
        Vollstreckung eines Urteils  | 
    
|   Faction  | 
        Partei, abwertend  | 
    
|   Feldgeschworene  | 
        landwirtschaftliche Sachverständige, Ehrenamt  | 
    
|   Feuerherr, Feuerheger  | 
        Aufsichtsperson, städtische Feuerpolizei  | 
    
|   Flurschütze  | 
        gemeindlicher Aufseher über die Feldflur, „Unterbedienung“  | 
    
|   Freunde von der Gemeinde  | 
        siehe Gemeindsherren  | 
    
|   Frevel  | 
        Ordnungsverstoß, auch Strafe  | 
    
|   Gebührnisse  | 
        siehe Accidentalien  | 
    
|   Gemeindebürgermeister, gemeiner Bürgermeister  | 
        Repräsentant der Stadtgemeinde gegenüber dem Rat, Vorsteher der Gemeindsherren  | 
    
|   Gemeindsherren  | 
        Repräsentanten der Stadtgemeinde gegenüber dem Rat  | 
    
|   Gericht, ungebotenes  | 
        regelmäßig abgehaltenes Gericht (nicht gesondert angesetzt)  | 
    
|   Goedingsgericht, gewöhnliches Rügegericht  | 
        Policeygericht auf Gemeindeebene  | 
    
|   Grebe  | 
        Dorfvorsteher, von der Obrigkeit eingesetzt  | 
    
|   Handtierung, bürgerliche  | 
        bürgerlicher (legitimer) Lebensunterhalt  | 
    
|   Herkommen, altes  | 
        durch Alter legitimierte Gewohnheit  | 
    
|   Hospitalsprovisor  | 
        Hospitalsverwalter, für die Rechnungsführung zuständig  | 
    
|   Hospitalsvorsteher  | 
        Aufsichtsperson, zuständig für die Aufnahme von Personen ins Hospital und die Gewährung von Krediten, Ehrenamt  | 
    
|   Immission  | 
        Einweisung in einen Besitz  | 
    
|   in Pflichten nehmen  | 
        Eid abnehmen  | 
    
|   Instruction  | 
        Liste der Amtspflichten, Teil der Bestallung  | 
    
|   Justitiarius, adliger  | 
        Richter bürgerlichen Standes an einem adeligen Patrimonialgericht  | 
    
|   Klasse  | 
        Kirchenkreis, landeskirchlicher Bezirk  | 
    
|   Lager-, Stück- und Steuerbuch  | 
        Steuerverzeichnis (Liegenschaften), Kataster  | 
    
|   Landgericht (auch Goedingsgericht)  | 
        landesherrliches Policeygericht auf der Ebene des Amtes  | 
    
|   Landknecht, Landbereiter  | 
        landesherrlicher Ordnungshüter, „Unterbedienter“  | 
    
|   literati  | 
        gelehrte Amtsträger bürgerlicher Herkunft, dem Adel rechtlich gleichgestellt  | 
    
|   Marktmeister  | 
        Aufsichtsperson, städtische Gewerbepolizei  | 
    
|   Meier  | 
        siehe Conductor  | 
    
|   Metropolitan  | 
        leitender Pfarrer einer Klasse, erster städtischer Pfarrer  | 
    
|   Nahrung  | 
        standesgemäßer Lebensunterhalt  | 
    
|   Oberamtmann  | 
        nominell leitender Beamter des Amtes (Sinekure für verdiente Offiziere, oft nicht vergeben)  | 
    
|   Oberrentkammer Kassel  | 
        zentrale Domänenverwaltung (zeitweise auch Steuerverwaltung)  | 
    
|   Personalgeschoß  | 
        städtische Steuer auf Haushalte  | 
    
|   Pfand- und Währschaftsbuch  | 
        Grundbuch, Protokoll über Immobilientransfers und Hypotheken  | 
    
|   plurimo vota  | 
        mit Stimmenmehrheit  | 
    
|   Praetor  | 
        siehe Schultheiß  | 
    
|   Präsentation  | 
        Vorschlag(srecht)  | 
    
|   Proconsul  | 
        stellvertretender Bürgermeister; Bürgermeister des alten Rates  | 
    
|   publiciren  | 
        Urteil verkünden  | 
    
|   Pupille  | 
        Mündel  | 
    
|   purgiren  | 
        eidlich versichern  | 
    
|   Quaestor  | 
        Finanzbeamter des Amtes  | 
    
|   Rat, alter und neuer  | 
        Einteilung des Gesamtstadtrats, jährlich alternierend  | 
    
|   Ratsverwandter  | 
        Mitglied des städtischen Rates  | 
    
|   Realgeschoß  | 
        städtische Grundsteuer  | 
    
|   Regierung(skanzlei) Kassel  | 
        oberste Provinzialbehörde für die Verwaltung und Justiz von Niederhessen mit Funktionen im Gesetzgebungsprozess für den Gesamtstaat  | 
    
|   Reinigungseid  | 
        Eid durch Eideshelfer  | 
    
|   Rektifikation  | 
        Berichtigung, Verbesserung, vor allem in Zusammenhang mit Steuerregistern  | 
    
|   Renterei  | 
        Finanzbehörde des Amtes  | 
    
|   Rentmeister  | 
        siehe Quaestor  | 
    
|   Rentschreiber  | 
        Schreiber, zuständig für die Akten- bzw. Rechnungsführung der Renterei  | 
    
|   Resolution  | 
        siehe Erkenntnis  | 
    
|   Rüge  | 
        Anzeige eines Ordnungsverstoßes (durch eine nicht unmittelbar betroffene Person)  | 
    
|   Rügegericht, gewöhnliches  | 
        städtisches Policeygericht  | 
    
|   Salbuch/ Sahlbuch  | 
        in Hessen im 17./18. Jh.: Verzeichnis örtlicher Rechte, Pflichten und Gewohnheiten aus der Perspektive der Landesherrschaft  | 
    
|   Schöffe (im städtischen Bereich)  | 
        siehe Ratsverwandter  | 
    
|   Schriftsässige  | 
        siehe literati  | 
    
|   Schultheiß  | 
        Justiz- und Verwaltungsbeamter des Amtes, vom Landesherrn vergeben  | 
    
|   Schützen-Meister der Schützen-Compagnie  | 
        Oberster des städtischen Verteidigungsaufgebotes  | 
    
|   Sportuln  | 
        Gerichts- oder Verwaltungsgebühren  | 
    
|   Stadtdiener  | 
        städtischer Angestellter, „Unterbedienter“  | 
    
|   Stadtgericht  | 
        erstinstanzliches Gericht für die Bürgerschaft der Stadt (Zivil-, Policey- und freiwillige Gerichtsbarkeit)  | 
    
|   Stadtschreiber  | 
        Schreiber, zuständig für die Aktenführung der städtischen Justiz und Verwaltung  | 
    
|   Stadtvormünder  | 
        siehe Bürgermeister und Rat  | 
    
|   Statuten, gemeine Stadt-  | 
        schriftlich fixiertes Stadtrecht  | 
    
|   Stoppelherr, Stoppelheger  | 
        Aufsichtsperson, städtische Feldpolizei  | 
    
|   Subject  | 
        Untertan  | 
    
|   Türmer  | 
        städtischer Ordnungshüter  | 
    
|   übernehmen  | 
        betrügen  | 
    
|   uninteressiert  | 
        unparteiisch  | 
    
|   Vermeierung  | 
        Verpachtung  | 
    
|   Vorsteher der Gemeinde  | 
        Repräsentant der Dorfgemeinde  | 
    
|   Votum  | 
        Stimme, Stellungnahme  | 
    
|   Währschaft  | 
        Besitzeinsetzung  | 
    
|   Wasenmeister  | 
        Abdecker  | 
    
|   Weinkauf  | 
        Vertragsabschlußgebühr  | 
    
|   Zehntbeständer  | 
        Pächter des Zehnten  | 
    
|   Zehntsammler  | 
        Zehnteintreiber  | 
    
|   Zunftmeister  | 
        Vorsteher der Zünfte (nicht die einzelnen Handwerksmeister!)  | 
    
Erläuterungen zur Struktur der kommunalen und landesherrlichen Verwaltung und Justiz im hessischen Amt Grebenstein sowie in den übergeordneten Instanzen
1. Lokale Rechtsprechung und Verwaltung
 1.1 Mediatstadt / Landstadt
    Im  Amt 
    Grebenstein lagen zwei Kleinstädte: Grebenstein und Immenhausen. Die 
    Stadt Grebenstein (mit etwa 2.000 Einwohnern im späten 18. Jahrhundert) 
    war Sitz der landesherrlichen Lokalverwaltung und besaß daher zentralörtliche 
    Funktion für das Umland. Die kommunalen Gremien entsprachen jedoch weitgehend 
    denen in Immenhausen. 
Zentrale politisch-administrative Einrichtungen als „städtische Obrigkeit“ waren der Rat, dem insgesamt zwölf Personen angehörten, und der jeweils amtsführende Bürgermeister. Die Mitglieder hatten ihr Amt auf Lebenszeit inne und ergänzten ihre Reihen durch Kooptation mit landesherrlicher Bestätigung. Dieser Gesamtrat war differenziert in einen alten und einen neuen Rat, die im jährlichen Wechsel die Geschäfte führten. Die Funktion dieser Differenzierung ist zur Zeit noch weitgehend unklar, Mitglieder beider Gruppen waren bei den Ratssitzungen anwesend. Die Bürgermeister (mindestens zwei, häufig vier) wurden auf Lebenszeit gewählt, häufig handelte es sich um Juristen. Einer von ihnen, der jeweils dem neuen Rat angehörte, amtierte ein Jahr hindurch als regierender Bürgermeister, ein weiterer als sein Stellvertreter.
Eine Schlüsselstellung in der kommunalen Verwaltung hatte der Stadtschreiber inne, der zumeist über eine juristische Ausbildung verfügte und hauptamtlich für die Aktenführung zuständig war. Er wurde mit einem geringen Fixgehalt und Anteilen an den städtischen Sporteln besoldet. Die von der städtischen Obrigkeit einzuziehende landesherrliche Kontribution war auf mehrere Jahre an den Kontributionsrezeptor verpachtet.
Eher mit Beratungs- und Kontrollfunktion als mit Entscheidungsfunktion ausgestattet waren die Gemeindeherren, auch „Freunde von der Gemeinde“ genannt. Sie repräsentierten die Gemeinde (Wahlmodus bisher unklar) und wurden bei bestimmten Ratsentscheidungen beratend zugezogen. An ihrer Spitze stand der vom Rat bestimmte Gemeindebürgermeister. Darüber hinaus kooptierte der Rat aus den Gemeindsherren seine neuen Mitglieder.
Rat und Gemeindeherren besetzten einen Teil der städtischen Ämter paarweise, wobei der Rat den Amtsinhaber aus der Gemeinde, die Gemeindeherren den Amtsinhaber aus dem Rat bestimmten. Auf diese Weise wurden jährlich jeweils zwei Kämmerer (Rechnungsführung), Bauherren (baupolizeiliche Aufsicht), Feuer- und Stoppelherren (feuer- und feldpolizeiliche Aufsicht) eingesetzt. Um die zentrale Funktion der städtischen Rechnungsführung professioneller handhaben zu lassen, setzte der  Advocatus fisci als landesherrlicher Aufseher über die kommunalen Angelegenheiten allerdings in den 1720er Jahre die Berufung eines landesherrlich bestätigten, längerfristig tätigen und möglichst sachkundigen Kämmerers durch, der außerdem eine Kaution zu stellen hatte.
Außer dem Amt des Stadtschreibers waren alle städtischen Ämter unbesoldet, für besondere Aufgaben (z.B. Grenzbegehungen) gab es allerdings Aufwandsentschädigungen.
Zu bestimmten Entscheidungen des Rates wurden schließlich noch die Zunftmeister, d.h. die Vorsteher der Grebensteiner Zünfte, beratend beteiligt. Diese übten offenbar ebenfalls eine Art Kontrollfunktion gegenüber dem Rat aus, wenn auch ohne Sanktionsmöglichkeiten.
Ratsherren und Bürgermeister bildeten darüber hinaus zusammen mit dem landesherrlichen Amtsschultheiß das Stadtgericht als erstinstanzliches Gericht für die BürgerInnen der Stadt. Offenbar ermittelten im 16. Jahrhundert die Ratsherren als Schöffen das Urteil, das der  Amtsschultheiß als Richter sprach. Die Grenze zwischen Stadtgericht und Rat war dabei fliessend, die schriftliche Überlieferung ist noch am Ende des 17. Jahrhunderts ungetrennt.
Im 18. Jahrhundert wurde das Stadtgericht vom Amtsschultheißen geleitet, Bürgermeister und Ratsherren waren bei justiziellen Handlungen lediglich beratende Funktionen geblieben, administrative Handlungen führten sie jedoch weiterhin selbständig durch (z.B. die Protokollierung von Grundstücksverkäufen). Die schriftliche Überlieferung ist entsprechend wesentlich differenzierter.
Jährlich im Februar fand während einer Sitzung des Stadtgerichts das sogenannte gewöhnliche Rügegericht unter Leitung des Amtsschultheißen statt, bei dem neue Bürger (junge Erwachsene und Zugezogene) vereidigt und Ordnungsverstöße nach einem bestimmten Verfahren angezeigt und geregelt bzw. geahndet wurden.
1.2 Landesherrliches Dorf
    Zum  Amt 
    Grebenstein gehörten sechs landesherrliche Dörfer (Udenhausen, Mariendorf, 
    Calden, Burguffeln, Holzhausen, Wilhelmshausen). Bei einem dieser Dörfer 
    (Mariendorf) handelt es sich um eine neu gegründete Hugenottensiedlung, 
    deren Verwaltung getrennt von den übrigen Dörfern organisiert war. 
    Die übrigen Dörfer wurden jeweils von einem Greben 
    verwaltet, einem „Dorfbürgermeister“, der auf Vorschlag des 
    Amtsschultheißen landesherrlich eingesetzt wurde und als Vermittler 
    obrigkeitlicher Anordnungen einerseits und gemeindlicher Anliegen andererseits 
    fungierte. Die Greben entstammten der dörflichen Oberschicht. Einmal 
    berufen, amtierten sie lebenslang, es sei denn, sie legten von sich aus das 
    Amt nieder oder sie wurden vom  
    Amtsschultheißen in Absprache mit der  
    Regierung Kassel entlassen. Entlohnt wurde der Grebe durch die Reduzierung 
    von Fronen und Dienstfuhren.
Die dörfliche Gemeindeversammlung wählte zwei Vorsteher als ihre Interessenvertreter. Diese Versammlung der männlichen Haushaltsvorstände kontrollierte jedoch die dörflichen Amtsträger auch unmittelbar.
Für bestimmte Dörfer des Amtes wurde dreimal jährlich das so genannte Goding oder Rügegericht an einem traditionellen Gerichtsort (auf der Brücke in der Stadt Grebenstein) abgehalten, auf dem der Amtsschultheiß mit zwölf Schöffen angezeigte Ordnungsverstöße ahndete. Für alles andere war erstinstanzlich das  Amt Grebenstein zuständig.
1.3 Rittergut/Adelsdorf
    Bei einem Rittergut handelte es sich um einen Komplex 
    aus herrschaftlichem Eigenbetrieb (Gutsbetrieb) und Dörfern im Besitz 
    einer Adelsfamilie. Als „landtagsfähiges Rittergut“ vermittelte 
    es seinem adligen Besitzer die Mitgliedschaft zur Ritterschaft, an die das 
    aktive und passive Wahlrecht zur ritterschaftlichen Kurie des Landtages und 
    der Zugang zu privilegierten Versorgungsanstalten für unverheiratete 
    Töchter gebunden waren.
    
    Im Amt Grebenstein befand sich nur ein Rittergut mit dazu gehörigem Adelsdorf 
    (Gut und Dorf Schachten). Der Gutsherr war Ortsobrigkeit dieses Dorfes, dessen 
    'Dorfverfassung’ ansonsten in etwa derjenigen der landesherrlichen Dörfer 
    entsprach. Die Bewohner des Dorfes unterstanden dem Patrimonialgericht, 
    das vom Gutsherr oder einem bürgerlichen, juristisch ausgebildeten Justitiar 
    gehalten wurde.
Den Einwohnern des Dorfes stand es frei, sich in Verwaltungsangelegenheiten an den  Amtschultheißen in Grebenstein zu wenden, der eine allgemeine Aufsichtsfunktion auch über das Adelsgut ausübte.
1.4 Landesherrliche Domäne
    Im Amt Grebenstein lagen drei landesherrliche Vorwerke (Grebenstein, Burguffeln, 
    Frankenhausen) sowie das fürstliche Familiengut Ameliental 
    (fürstlicher 'Privatbesitz’). Diese Güter wurden in Zeitpacht 
    – meist sechs, seltener drei, neun oder zwölf Jahre – zu 
    einem festen jährlichen Pachtzins an nichtadlige Pächter 
    (Conductoren, Meier) ausgegeben. Der jeweilige Pächter des Familienguts 
    (ab 1714 immer zusammen mit dem Vorwerk Frankenhausen verpachtet) versah gleichzeitig 
    das Amt des Amtsverwalters, d.h. er zog die landesherrlichen 
    Einkünfte (Zehnte, Gefälle) in den zum Gut gehörigen Dorfschaften 
    bzw. für einzelne verpachtete Äcker und Wiesen ein. Aus diesen Einkünften 
    besoldete er den Pfarrer des  
    Adelsdorfs Schachten, der auch für das Familiengut zuständig 
    war, alles weitere lieferte er an die  
    Rentkammer in Kassel ab. Dafür erhielt der Pächter eine 
    jährliche Naturalentlohnung in Getreide. Zu den Vorwerken gehörten 
    offenbar keine Dienste; die Pächter bewirtschafteten die Güter mit 
    eigenen Bediensteten und Tagelöhnern. Die Auswahl der Vorwerkspächter 
    und die Entscheidungen über Pachtverlängerungen, Pachtzinsen und 
    Aufwandserstattungen oblagen der  
    Rentkammer, Ansprechpartner der Pächter war der Obervogt, 
    die örtliche Aufsicht über bauliche Veränderungen hatte der 
     Rentmeister 
    inne. 
2. Das Amt als landesherrliche, überörtliche Behörde
Mit dem Begriff Amt wurden sowohl die untersten überörtlichen Bezirke landesherrlicher Justiz und Administration als auch die das Amt jeweils leitende Behörde bezeichnet. Die  Provinz Niederhessen als größte der Provinzen der Landgrafschaft Hessen-Kassel war 1770 in 32 Ämter unterteilt. Das Amt Grebenstein mit der Stadt Grebenstein als Amtssitz umfasste zwei Landstädte (Grebenstein und Immenhausen), vier Kirchdörfer, vier kleinere Haufendörfer, fünf Weiler sowie drei landesherrliche Domänenvorwerke (mit insgesamt etwa 7.000 Einwohnern im späten 18. Jahrhundert). Der Amtssitz Grebenstein lag in etwa 20 km Entfernung von der Residenzstadt Kassel. Insgesamt waren für dieses Amt die von den Zentralbehörden häufig zusammenfassend als 'Beamte zu Grebenstein’ apostrophierten Amtsträger Oberamtmann, Rentmeister und Amtsschultheiß zuständig. Bei dem in der Regel adligen Oberamtmann handelte es sich um den ranghöchsten und nominell leitenden Amtsträger des Bezirks. Dieses Amt war allerdings eine gut dotierte Sinekure für verdiente Militärs oder Diplomaten. Der Oberamtmann trat vor allem bei bestimmten herausgehobenen Anlässen (Huldigung, Kommissionen) in Erscheinung; im Verwaltungs- und Rechtsprechungsalltag spielte er keine Rolle.
2.1 Rechtsprechung und allgemeine Verwaltung
    Das Amt diente als allgemeine Verwaltungsbehörde zur 
    Wahrung und Förderung 'guter Policey’. Der größte Teil 
    der Justiz und Administration lag beim Amtsschultheißen, 
    einem juristisch ausgebildeten, mit geringem Festgehalt, wertvollen Naturaldeputaten 
    und Beteiligung an Sporteln besoldeten bürgerlichen Amtsträger, 
    der vom Landgrafen eingesetzt und von der  
    Regierung Kassel kontrolliert wurde. Als „Schriftsässiger“ 
    unterstand er nicht der lokalen Gerichtsbarkeit. Ihm war ein Amtsschreiber 
    zugeordnet, der für die Aktenführung des Amtes zuständig war. 
    Auch der Amtsschreiber benötigte eine juristische Ausbildung. Im Untersuchungszeitraum 
    war der  Stadtschreiber 
    gleichzeitig auch Amtsschreiber, die Frage der Besoldung ist bisher ungeklärt. 
    Der Amtsschultheiß stand dem Amt vor, 
    er hielt das erstinstanzliche Gericht für die Dorfbewohner des Amtes 
    (einschließlich der freiwilligen Gerichtsbarkeit). 
2.2 Finanzverwaltung
    Finanzbehörde des  Amtes 
    war die Renterei, zuständig für die Einkünfte 
    aus Abgaben und Steuern (Akzise) sowie für die Bauaufsicht über 
    die  Domänen. 
    Die Leitung hatte der Rentmeister, ein Bürgerlicher, 
    der wie der  
    Amtsschultheiß als „Schriftsässiger“ nicht 
    der lokalen Gerichtsbarkeit unterstand. Rentmeister waren keine Juristen, 
    sondern hatten zuvor entweder eine Ausbildung als Schreiber und Rechnungsführer 
    in den zentralen Rechnungsbehörden durchlaufen hatten oder als Offizier 
    die Kasse eines Regiments geführt. Auch ihre Besoldung bestand aus einem 
    geringfügigen Festgehalt, aus wertvollen Naturaldeputaten und aus einer 
    Beteiligung an Sporteln. Als Rechnungsführer hatte der Rentmeister eine 
    bedeutende Kaution zu leisten. Ihm war der Rentschreiber 
    untergeordnet, der für die Aktenführung zuständig war.
2.3 Kirche
    Seit dem frühen 17. Jahrhundert gehörte die Landgrafschaft Hessen-Kassel 
    zur reformierten Konfession. Die überörtlichen kirchlichen Bezirke 
    wurden als Klassen bezeichnet und umfassten im Fall der Klasse 
    Grebenstein die beiden städtischen und die vier übrigen dörflichen 
    Kirchengemeinden des Amtes. Leitender Pfarrer der Klasse war der Metropolitan, 
    der gleichzeitig die erste Pfarrstelle in Grebenstein versah. Er wurde unmittelbar 
    landesherrlich eingesetzt. Der Diakon, der Inhaber der zweiten 
    städtischen Pfarrstelle, wurde von  
    Bürgermeister,  
    Rat und Zünften präsentiert und landesherrlich 
    eingesetzt. 
In der Hierarchie der Landeskirche stand über dem Metropolitan als Vorsteher der Klasse das Konsistorium in Kassel, bestehend aus zwei Konsistorialräten (einem Theologen und einem Verwaltungsjuristen aus der Regierung Kassel) und dem Superintendenten, der in der Regel zugleich das Amt des Hofpredigers versah. Das Episkopat lag beim Landgrafen.
Der Kirche in Grebenstein unterstand das Hospital als Versorgungseinrichtung für einheimische und auswärtige Alte und Kranke, verwaltet vom ehrenamtlich tätigen Hospitalsprovisor. Die ebenfalls ehrenamtlich wirkenden Hospitalsvorsteher entschieden über die Aufnahme ins Hospital sowie über die Gewährung von Krediten aus dem Kapitalstock. Darüber hinaus existierte das sogenannte Sondersiechenhaus, eine von der adligen Familie von Schachten unterhaltene Versorgungseinrichtung.
3. Ständische Repräsentation
3.1 Strombezirk
    Bei den sogenannten Strombezirken (nach den durch sie fließenden 'Strömen’ 
    Diemel, Fulda, Werra, Eder und Schwalm benannt) handelte sich um die ritterschaftlichen 
    und städtischen Wahlbezirke zum  
    Landtag. Der Bürgermeister der  
    Stadt Grebenstein und der Besitzer des im Amt Grebenstein liegenden 
     Ritterguts 
    Schachten waren berechtigt, an der Versammlung der Städte bzw. der Ritter 
    im Diemelstrombezirk teilzunehmen. Diese beiden Gremien wählten 
    jeweils die regionalen Deputierten zum Hessen-Kasselischen  
    Landtag und beratschlagten im Vorfeld über Gravamina (Beschwerden) 
    und Propositionen (Vorschläge). 
3.2 Landtag
    Der Landtag war eine unregelmäßig stattfindende Versammlung der 
    hessen-kasselischen Landstände. Er wurde vom Landgrafen einberufen, von 
    seinem Landtagskommissar geleitet und tagte in zwei Kurien (die Kurie 
    der Prälaten und der Ritterschaft einerseits, die Städtekurie/Landschaft 
    andererseits). Zu seinen Aufgaben gehörte die Bewilligung von Steuern, 
    gemäß des Mehrfachen eines Quantums („Schreckenberger“), 
    das nach dem Treysaer Anschlag auf die Strombezirke umverteilt wurde. Seit 
    1650 fanden keine vollen Landtage unter Beteiligung aller Ritter und Städte 
    mehr statt, sondern es tagten Landtags-Ausschüsse, deren Mitglieder von 
    den  Strombezirken 
    bestimmt wurden. Die Landtage wurden weitgehend vom landesherrlichen Vertreter 
    und von den ritterschaftlichen Deputierten gestaltet, während die Städtedeputierten 
    lediglich durch ihre Sperrminorität bremsend wirkten. 
Bis 1744 entsandte die Ritterschaft des Diemelstrombezirks zumeist zwei Deputierte zu den Landtagen, danach üblicherweise nur noch einen Abgeordneten. Ein Bürgermeister von Grebenstein fand sich bis 1754 in etwa der Hälfte aller Fälle unter den Signataren der Landtags-Abschiede, in der Frequenz nur übertroffen von Mitgliedern des Magistrats der Residenzstadt Kassel. Um so auffälliger ist es, dass in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts die Bürgermeister von Grebenstein überhaupt nicht mehr auf dem Landtag präsent waren; an ihre Stelle trat der Magistrat der Nachbarstadt Hofgeismar.
4. Provinz Niederhessen (Regierung Kassel)
Die Regierung Kassel fungierte als regionale Verwaltungsbehörde für die Provinz Niederhessen und als Gericht zweiter Instanz für die dortigen Amtsuntertanen und die Untertanen der Rittergüter. Sie führte die Aufsicht über die  Ämter der Provinz und war demzufolge auch die vorgesetzte Behörde für den  Amtsschultheißen. Darüber hinaus diente sie als erste Instanz bei Prozessen gegen Adlige oder „schriftsässige“ (exemte) Bürger. Zugleich nahm die Regierung Kassel wichtige Funktionen wahr bei der Vorbereitung von Gesetzen und Verordnungen für den hessischen Gesamtstaat.
Zur Regierung Kassel gehörte auch der Adocatus fisci, den man als einen behördeninternen Staatsanwalt bezeichnen kann, dem die Aufsicht über die Ämter oblag. Der Advocatus fisci (auch „Fiskal“ genannt) und weitere Mitglieder der Regierung Kassel führten in den Ämtern jährlich das sogenannte Godings- und Landgericht durch, ein Policeygericht in Form von regelmäßig stattfindenden landesherrlichen Visitationen, das der Überprüfung der Amtsführung von geistlichen und weltlichen Bediensteten diente. Die Amtsuntertanen hatten hierbei die Möglichkeit zur Beschwerde über Missstände und die lokalen Amtsträger, dem Landgericht kam somit eine wichtige Kontrollfunktion zu. Die Regierung Kassel konnte darüber hinaus zu bestimmten Anlässen Kommissionen zusammenstellen und mit Untersuchungen beauftragen.
5. Zentralbehörden
5.1 Geheimer Rat
    Bis 1770 bildete der Geheime Rat die zentrale, allzuständige 
    Lenkungsbehörde der Landgrafschaft. Der Geheime Rat (Institution) bestand 
    aus mehreren Geheimen Räten (Personen) – in der Regel identisch 
    mit den Chefs der Zentralbehörden – und zusätzlichen Vertrauten 
    des Landgrafen sowie einem Geheimen Sekretär. Eine Ressortgliederung 
    bestand in Ansätzen, war jedoch nicht voll ausgebildet.
5.2 Oberappellationsgericht
    Das 1730 eingerichtete Oberappellationsgericht war für Zivil- und Strafrechtsfälle 
    zuständig. Es trat mit dem Erwerb des privilegio de non appellando (1742) 
    als oberstes Appellationsgericht an die Stelle der Reichsgerichte. Die Prozessführung 
    war stark formalisiert, die Parteienvertretung erfolgte ausschließlich 
    durch zugelassene Anwälte.
5.3 Rentkammer
    Bei der Rentkammer handelte es sich um die rechnungsführende Zentralbehörde 
    für den Hessen-kasselischen Gesamtstaat. Sie war zuständig für 
    die Domänenverwaltung, die Abrechnung von Abgaben, Diensten, Kontribution 
    und Verbrauchssteuern. Sie kontrollierte die  
    Rentmeister, die lokalen Steuererheber ( 
    Kontributionsrezeptor) und die  
    Pächter bzw. Verwalter der Domänen.