Glossar Hessen

In das Glossar wurden Begriffe aufgenommen, die sich auf Institutionen, Amtsträger und herrschaftliche Tätigkeitsfelder in der zweiten Hälfte des 17. und der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts in der Landgrafschaft Hessen-Kassel beziehen.

Im Anschluss an das Glossar finden sich Erläuterungen zur Struktur der kommunalen und landesherrlichen Verwaltung und Justiz im hessischen Amt Grebenstein sowie in den übergeordneten Instanzen.

Quellenbegriff

Erläuterung

abhören

Rechnung prüfen

Accidentalien

anlassbezogene Einkünfte

Accis-Schreiber

Rechnungsführer bei der lokalen Akziseerhebung

Actuarius

siehe Amtsschreiber und Stadtschreiber

advocatus fisci

‚Staatsanwalt’, landesherrlicher Aufsichtsbeamter über Gemeinden, Behörden und Amtsträger

Akzise

Verbrauchssteuer

Amt, fürstliches

unterster landesherrlicher Verwaltungsbezirk (nicht im Sinne von officium!)

Amtschultheiß

siehe Schultheiß

Amtsexercitienbuch

statistische Dokumentation eines Amtes (Bevölkerung, Dienste, Abgaben, Rechte und Gewohnheiten), geführt vom Schultheißen

Amtsschreiber

Schreiber, zuständig für die Aktenführung in Justiz und Verwaltung des Amtes

Bauherr, Bauheger

Aufsichtsperson, städtische Baupolizei

Beamte zu Grebenstein

zusammenfassende Bezeichnung für Amtschultheiß und Rentmeister (ggf. auch Oberamtmann)

Bedienung

Amt [officium]

befördern

versetzen (nicht ein höherrangiges Amt übertragen!)

Bestallung

Berufung in ein landesherrliches Amt, umfasst Instruktion, Revers und Eidesleistung

Beständer

Pächter

Bürgermeister und Rat

städtische Obrigkeit, Kollegium

Cämmerer, Camerarius

für das städtische Rechnungswesen zuständig

Cantzler

leitendes Regierungsamt

Citation

gerichtliche Ladung

Conductor

Zeitpächter (meist landesherrlicher Güter)

Consul regens

amtsführender Bürgermeister; Bürgermeister des neuen Rats

Contribution

landesherrliche Steuer auf Liegenschaften und Haushalte

Contumacien-Buße

Strafe wegen Fernbleibens trotz Ladung (meist Geld, selten Arrest)

Diakon

zweiter städtischer Pfarrer

Domäne

landesherrliches Eigengut

Ehepakten

Ehevertrag, oft anläßlich eines Verlöbnisses abgeschlossen

erkennen

urteilen

Erkenntnis

Bescheid, Urteil

Eviction

Sicherstellung durch Vertragsparteien

Execution

Vollstreckung eines Urteils

Faction

Partei, abwertend

Feldgeschworene

landwirtschaftliche Sachverständige, Ehrenamt

Feuerherr, Feuerheger

Aufsichtsperson, städtische Feuerpolizei

Flurschütze

gemeindlicher Aufseher über die Feldflur, „Unterbedienung“

Freunde von der Gemeinde

siehe Gemeindsherren

Frevel

Ordnungsverstoß, auch Strafe

Gebührnisse

siehe Accidentalien

Gemeindebürgermeister, gemeiner Bürgermeister

Repräsentant der Stadtgemeinde gegenüber dem Rat, Vorsteher der Gemeindsherren

Gemeindsherren

Repräsentanten der Stadtgemeinde gegenüber dem Rat

Gericht, ungebotenes

regelmäßig abgehaltenes Gericht (nicht gesondert angesetzt)

Goedingsgericht, gewöhnliches Rügegericht

Policeygericht auf Gemeindeebene

Grebe

Dorfvorsteher, von der Obrigkeit eingesetzt

Handtierung, bürgerliche

bürgerlicher (legitimer) Lebensunterhalt

Herkommen, altes

durch Alter legitimierte Gewohnheit

Hospitalsprovisor

Hospitalsverwalter, für die Rechnungsführung zuständig

Hospitalsvorsteher

Aufsichtsperson, zuständig für die Aufnahme von Personen ins Hospital und die Gewährung von Krediten, Ehrenamt

Immission

Einweisung in einen Besitz

in Pflichten nehmen

Eid abnehmen

Instruction

Liste der Amtspflichten, Teil der Bestallung

Justitiarius, adliger

Richter bürgerlichen Standes an einem adeligen Patrimonialgericht

Klasse

Kirchenkreis, landeskirchlicher Bezirk

Lager-, Stück- und Steuerbuch

Steuerverzeichnis (Liegenschaften), Kataster

Landgericht (auch Goedingsgericht)

landesherrliches Policeygericht auf der Ebene des Amtes

Landknecht, Landbereiter

landesherrlicher Ordnungshüter, „Unterbedienter“

literati

gelehrte Amtsträger bürgerlicher Herkunft, dem Adel rechtlich gleichgestellt

Marktmeister

Aufsichtsperson, städtische Gewerbepolizei

Meier

siehe Conductor

Metropolitan

leitender Pfarrer einer Klasse, erster städtischer Pfarrer

Nahrung

standesgemäßer Lebensunterhalt

Oberamtmann

nominell leitender Beamter des Amtes (Sinekure für verdiente Offiziere, oft nicht vergeben)

Oberrentkammer Kassel

zentrale Domänenverwaltung (zeitweise auch Steuerverwaltung)

Personalgeschoß

städtische Steuer auf Haushalte

Pfand- und Währschaftsbuch

Grundbuch, Protokoll über Immobilientransfers und Hypotheken

plurimo vota

mit Stimmenmehrheit

Praetor

siehe Schultheiß

Präsentation

Vorschlag(srecht)

Proconsul

stellvertretender Bürgermeister; Bürgermeister des alten Rates

publiciren

Urteil verkünden

Pupille

Mündel

purgiren

eidlich versichern

Quaestor

Finanzbeamter des Amtes

Rat, alter und neuer

Einteilung des Gesamtstadtrats, jährlich alternierend

Ratsverwandter

Mitglied des städtischen Rates

Realgeschoß

städtische Grundsteuer

Regierung(skanzlei) Kassel

oberste Provinzialbehörde für die Verwaltung und Justiz von Niederhessen mit Funktionen im Gesetzgebungsprozess für den Gesamtstaat

Reinigungseid

Eid durch Eideshelfer

Rektifikation

Berichtigung, Verbesserung, vor allem in Zusammenhang mit Steuerregistern

Renterei

Finanzbehörde des Amtes

Rentmeister

siehe Quaestor

Rentschreiber

Schreiber, zuständig für die Akten- bzw. Rechnungsführung der Renterei

Resolution

siehe Erkenntnis

Rüge

Anzeige eines Ordnungsverstoßes (durch eine nicht unmittelbar betroffene Person)

Rügegericht, gewöhnliches

städtisches Policeygericht

Salbuch/ Sahlbuch

in Hessen im 17./18. Jh.: Verzeichnis örtlicher Rechte, Pflichten und Gewohnheiten aus der Perspektive der Landesherrschaft

Schöffe (im städtischen Bereich)

siehe Ratsverwandter

Schriftsässige

siehe literati

Schultheiß

Justiz- und Verwaltungsbeamter des Amtes, vom Landesherrn vergeben

Schützen-Meister der Schützen-Compagnie

Oberster des städtischen Verteidigungsaufgebotes

Sportuln

Gerichts- oder Verwaltungsgebühren

Stadtdiener

städtischer Angestellter, „Unterbedienter“

Stadtgericht

erstinstanzliches Gericht für die Bürgerschaft der Stadt (Zivil-, Policey- und freiwillige Gerichtsbarkeit)

Stadtschreiber

Schreiber, zuständig für die Aktenführung der städtischen Justiz und Verwaltung

Stadtvormünder

siehe Bürgermeister und Rat

Statuten, gemeine Stadt-

schriftlich fixiertes Stadtrecht

Stoppelherr, Stoppelheger

Aufsichtsperson, städtische Feldpolizei

Subject

Untertan

Türmer

städtischer Ordnungshüter

übernehmen

betrügen

uninteressiert

unparteiisch

Vermeierung

Verpachtung

Vorsteher der Gemeinde

Repräsentant der Dorfgemeinde

Votum

Stimme, Stellungnahme

Währschaft

Besitzeinsetzung

Wasenmeister

Abdecker

Weinkauf

Vertragsabschlußgebühr

Zehntbeständer

Pächter des Zehnten

Zehntsammler

Zehnteintreiber

Zunftmeister

Vorsteher der Zünfte (nicht die einzelnen Handwerksmeister!)

Erläuterungen zur Struktur der kommunalen und landesherrlichen Verwaltung und Justiz im hessischen Amt Grebenstein sowie in den übergeordneten Instanzen

1. Lokale Rechtsprechung und Verwaltung

1.1 Mediatstadt / Landstadt
Im ž Amt Grebenstein lagen zwei Kleinstädte: Grebenstein und Immenhausen. Die Stadt Grebenstein (mit etwa 2.000 Einwohnern im späten 18. Jahrhundert) war Sitz der landesherrlichen Lokalverwaltung und besaß daher zentralörtliche Funktion für das Umland. Die kommunalen Gremien entsprachen jedoch weitgehend denen in Immenhausen.

Zentrale politisch-administrative Einrichtungen als „städtische Obrigkeit“ waren der Rat, dem insgesamt zwölf Personen angehörten, und der jeweils amtsführende Bürgermeister. Die Mitglieder hatten ihr Amt auf Lebenszeit inne und ergänzten ihre Reihen durch Kooptation mit landesherrlicher Bestätigung. Dieser Gesamtrat war differenziert in einen alten und einen neuen Rat, die im jährlichen Wechsel die Geschäfte führten. Die Funktion dieser Differenzierung ist zur Zeit noch weitgehend unklar, Mitglieder beider Gruppen waren bei den Ratssitzungen anwesend. Die Bürgermeister (mindestens zwei, häufig vier) wurden auf Lebenszeit gewählt, häufig handelte es sich um Juristen. Einer von ihnen, der jeweils dem neuen Rat angehörte, amtierte ein Jahr hindurch als regierender Bürgermeister, ein weiterer als sein Stellvertreter.

Eine Schlüsselstellung in der kommunalen Verwaltung hatte der Stadtschreiber inne, der zumeist über eine juristische Ausbildung verfügte und hauptamtlich für die Aktenführung zuständig war. Er wurde mit einem geringen Fixgehalt und Anteilen an den städtischen Sporteln besoldet. Die von der städtischen Obrigkeit einzuziehende landesherrliche Kontribution war auf mehrere Jahre an den Kontributionsrezeptor verpachtet.

Eher mit Beratungs- und Kontrollfunktion als mit Entscheidungsfunktion ausgestattet waren die Gemeindeherren, auch „Freunde von der Gemeinde“ genannt. Sie repräsentierten die Gemeinde (Wahlmodus bisher unklar) und wurden bei bestimmten Ratsentscheidungen beratend zugezogen. An ihrer Spitze stand der vom Rat bestimmte Gemeindebürgermeister. Darüber hinaus kooptierte der Rat aus den Gemeindsherren seine neuen Mitglieder.

Rat und Gemeindeherren besetzten einen Teil der städtischen Ämter paarweise, wobei der Rat den Amtsinhaber aus der Gemeinde, die Gemeindeherren den Amtsinhaber aus dem Rat bestimmten. Auf diese Weise wurden jährlich jeweils zwei Kämmerer (Rechnungsführung), Bauherren (baupolizeiliche Aufsicht), Feuer- und Stoppelherren (feuer- und feldpolizeiliche Aufsicht) eingesetzt. Um die zentrale Funktion der städtischen Rechnungsführung professioneller handhaben zu lassen, setzte der ž Advocatus fisci als landesherrlicher Aufseher über die kommunalen Angelegenheiten allerdings in den 1720er Jahre die Berufung eines landesherrlich bestätigten, längerfristig tätigen und möglichst sachkundigen Kämmerers durch, der außerdem eine Kaution zu stellen hatte.

Außer dem Amt des Stadtschreibers waren alle städtischen Ämter unbesoldet, für besondere Aufgaben (z.B. Grenzbegehungen) gab es allerdings Aufwandsentschädigungen.

Zu bestimmten Entscheidungen des Rates wurden schließlich noch die Zunftmeister, d.h. die Vorsteher der Grebensteiner Zünfte, beratend beteiligt. Diese übten offenbar ebenfalls eine Art Kontrollfunktion gegenüber dem Rat aus, wenn auch ohne Sanktionsmöglichkeiten.

Ratsherren und Bürgermeister bildeten darüber hinaus zusammen mit dem landesherrlichen Amtsschultheiß das Stadtgericht als erstinstanzliches Gericht für die BürgerInnen der Stadt. Offenbar ermittelten im 16. Jahrhundert die Ratsherren als Schöffen das Urteil, das der ž Amtsschultheiß als Richter sprach. Die Grenze zwischen Stadtgericht und Rat war dabei fliessend, die schriftliche Überlieferung ist noch am Ende des 17. Jahrhunderts ungetrennt.

Im 18. Jahrhundert wurde das Stadtgericht vom Amtsschultheißen geleitet, Bürgermeister und Ratsherren waren bei justiziellen Handlungen lediglich beratende Funktionen geblieben, administrative Handlungen führten sie jedoch weiterhin selbständig durch (z.B. die Protokollierung von Grundstücksverkäufen). Die schriftliche Überlieferung ist entsprechend wesentlich differenzierter.

Jährlich im Februar fand während einer Sitzung des Stadtgerichts das sogenannte gewöhnliche Rügegericht unter Leitung des Amtsschultheißen statt, bei dem neue Bürger (junge Erwachsene und Zugezogene) vereidigt und Ordnungsverstöße nach einem bestimmten Verfahren angezeigt und geregelt bzw. geahndet wurden.

1.2 Landesherrliches Dorf
Zum ž Amt Grebenstein gehörten sechs landesherrliche Dörfer (Udenhausen, Mariendorf, Calden, Burguffeln, Holzhausen, Wilhelmshausen). Bei einem dieser Dörfer (Mariendorf) handelt es sich um eine neu gegründete Hugenottensiedlung, deren Verwaltung getrennt von den übrigen Dörfern organisiert war. Die übrigen Dörfer wurden jeweils von einem Greben verwaltet, einem „Dorfbürgermeister“, der auf Vorschlag des Amtsschultheißen landesherrlich eingesetzt wurde und als Vermittler obrigkeitlicher Anordnungen einerseits und gemeindlicher Anliegen andererseits fungierte. Die Greben entstammten der dörflichen Oberschicht. Einmal berufen, amtierten sie lebenslang, es sei denn, sie legten von sich aus das Amt nieder oder sie wurden vom ž Amtsschultheißen in Absprache mit der ž Regierung Kassel entlassen. Entlohnt wurde der Grebe durch die Reduzierung von Fronen und Dienstfuhren.

Die dörfliche Gemeindeversammlung wählte zwei Vorsteher als ihre Interessenvertreter. Diese Versammlung der männlichen Haushaltsvorstände kontrollierte jedoch die dörflichen Amtsträger auch unmittelbar.

Für bestimmte Dörfer des Amtes wurde dreimal jährlich das so genannte Goding oder Rügegericht an einem traditionellen Gerichtsort (auf der Brücke in der Stadt Grebenstein) abgehalten, auf dem der Amtsschultheiß mit zwölf Schöffen angezeigte Ordnungsverstöße ahndete. Für alles andere war erstinstanzlich das ž Amt Grebenstein zuständig.

1.3 Rittergut/Adelsdorf
Bei einem Rittergut handelte es sich um einen Komplex aus herrschaftlichem Eigenbetrieb (Gutsbetrieb) und Dörfern im Besitz einer Adelsfamilie. Als „landtagsfähiges Rittergut“ vermittelte es seinem adligen Besitzer die Mitgliedschaft zur Ritterschaft, an die das aktive und passive Wahlrecht zur ritterschaftlichen Kurie des Landtages und der Zugang zu privilegierten Versorgungsanstalten für unverheiratete Töchter gebunden waren.

Im Amt Grebenstein befand sich nur ein Rittergut mit dazu gehörigem Adelsdorf (Gut und Dorf Schachten). Der Gutsherr war Ortsobrigkeit dieses Dorfes, dessen 'Dorfverfassung’ ansonsten in etwa derjenigen der landesherrlichen Dörfer entsprach. Die Bewohner des Dorfes unterstanden dem Patrimonialgericht, das vom Gutsherr oder einem bürgerlichen, juristisch ausgebildeten Justitiar gehalten wurde.

Den Einwohnern des Dorfes stand es frei, sich in Verwaltungsangelegenheiten an den ž Amtschultheißen in Grebenstein zu wenden, der eine allgemeine Aufsichtsfunktion auch über das Adelsgut ausübte.

1.4 Landesherrliche Domäne
Im Amt Grebenstein lagen drei landesherrliche Vorwerke (Grebenstein, Burguffeln, Frankenhausen) sowie das fürstliche Familiengut Ameliental (fürstlicher 'Privatbesitz’). Diese Güter wurden in Zeitpacht – meist sechs, seltener drei, neun oder zwölf Jahre – zu einem festen jährlichen Pachtzins an nichtadlige Pächter (Conductoren, Meier) ausgegeben. Der jeweilige Pächter des Familienguts (ab 1714 immer zusammen mit dem Vorwerk Frankenhausen verpachtet) versah gleichzeitig das Amt des Amtsverwalters, d.h. er zog die landesherrlichen Einkünfte (Zehnte, Gefälle) in den zum Gut gehörigen Dorfschaften bzw. für einzelne verpachtete Äcker und Wiesen ein. Aus diesen Einkünften besoldete er den Pfarrer des ž Adelsdorfs Schachten, der auch für das Familiengut zuständig war, alles weitere lieferte er an die ž Rentkammer in Kassel ab. Dafür erhielt der Pächter eine jährliche Naturalentlohnung in Getreide. Zu den Vorwerken gehörten offenbar keine Dienste; die Pächter bewirtschafteten die Güter mit eigenen Bediensteten und Tagelöhnern. Die Auswahl der Vorwerkspächter und die Entscheidungen über Pachtverlängerungen, Pachtzinsen und Aufwandserstattungen oblagen der ž Rentkammer, Ansprechpartner der Pächter war der Obervogt, die örtliche Aufsicht über bauliche Veränderungen hatte der ž Rentmeister inne.

2. Das Amt als landesherrliche, überörtliche Behörde

Mit dem Begriff Amt wurden sowohl die untersten überörtlichen Bezirke landesherrlicher Justiz und Administration als auch die das Amt jeweils leitende Behörde bezeichnet. Die ž Provinz Niederhessen als größte der Provinzen der Landgrafschaft Hessen-Kassel war 1770 in 32 Ämter unterteilt. Das Amt Grebenstein mit der Stadt Grebenstein als Amtssitz umfasste zwei Landstädte (Grebenstein und Immenhausen), vier Kirchdörfer, vier kleinere Haufendörfer, fünf Weiler sowie drei landesherrliche Domänenvorwerke (mit insgesamt etwa 7.000 Einwohnern im späten 18. Jahrhundert). Der Amtssitz Grebenstein lag in etwa 20 km Entfernung von der Residenzstadt Kassel. Insgesamt waren für dieses Amt die von den Zentralbehörden häufig zusammenfassend als 'Beamte zu Grebenstein’ apostrophierten Amtsträger Oberamtmann, Rentmeister und Amtsschultheiß zuständig. Bei dem in der Regel adligen Oberamtmann handelte es sich um den ranghöchsten und nominell leitenden Amtsträger des Bezirks. Dieses Amt war allerdings eine gut dotierte Sinekure für verdiente Militärs oder Diplomaten. Der Oberamtmann trat vor allem bei bestimmten herausgehobenen Anlässen (Huldigung, Kommissionen) in Erscheinung; im Verwaltungs- und Rechtsprechungsalltag spielte er keine Rolle.

2.1 Rechtsprechung und allgemeine Verwaltung
Das Amt diente als allgemeine Verwaltungsbehörde zur Wahrung und Förderung 'guter Policey’. Der größte Teil der Justiz und Administration lag beim Amtsschultheißen, einem juristisch ausgebildeten, mit geringem Festgehalt, wertvollen Naturaldeputaten und Beteiligung an Sporteln besoldeten bürgerlichen Amtsträger, der vom Landgrafen eingesetzt und von der ž Regierung Kassel kontrolliert wurde. Als „Schriftsässiger“ unterstand er nicht der lokalen Gerichtsbarkeit. Ihm war ein Amtsschreiber zugeordnet, der für die Aktenführung des Amtes zuständig war. Auch der Amtsschreiber benötigte eine juristische Ausbildung. Im Untersuchungszeitraum war der ž Stadtschreiber gleichzeitig auch Amtsschreiber, die Frage der Besoldung ist bisher ungeklärt. Der Amtsschultheiß stand dem Amt vor, er hielt das erstinstanzliche Gericht für die Dorfbewohner des Amtes (einschließlich der freiwilligen Gerichtsbarkeit).

2.2 Finanzverwaltung
Finanzbehörde des ž Amtes war die Renterei, zuständig für die Einkünfte aus Abgaben und Steuern (Akzise) sowie für die Bauaufsicht über die ž Domänen. Die Leitung hatte der Rentmeister, ein Bürgerlicher, der wie der ž Amtsschultheiß als „Schriftsässiger“ nicht der lokalen Gerichtsbarkeit unterstand. Rentmeister waren keine Juristen, sondern hatten zuvor entweder eine Ausbildung als Schreiber und Rechnungsführer in den zentralen Rechnungsbehörden durchlaufen hatten oder als Offizier die Kasse eines Regiments geführt. Auch ihre Besoldung bestand aus einem geringfügigen Festgehalt, aus wertvollen Naturaldeputaten und aus einer Beteiligung an Sporteln. Als Rechnungsführer hatte der Rentmeister eine bedeutende Kaution zu leisten. Ihm war der Rentschreiber untergeordnet, der für die Aktenführung zuständig war.

2.3 Kirche
Seit dem frühen 17. Jahrhundert gehörte die Landgrafschaft Hessen-Kassel zur reformierten Konfession. Die überörtlichen kirchlichen Bezirke wurden als Klassen bezeichnet und umfassten im Fall der Klasse Grebenstein die beiden städtischen und die vier übrigen dörflichen Kirchengemeinden des Amtes. Leitender Pfarrer der Klasse war der Metropolitan, der gleichzeitig die erste Pfarrstelle in Grebenstein versah. Er wurde unmittelbar landesherrlich eingesetzt. Der Diakon, der Inhaber der zweiten städtischen Pfarrstelle, wurde von ž Bürgermeister, ž Rat und Zünften präsentiert und landesherrlich eingesetzt.

In der Hierarchie der Landeskirche stand über dem Metropolitan als Vorsteher der Klasse das Konsistorium in Kassel, bestehend aus zwei Konsistorialräten (einem Theologen und einem Verwaltungsjuristen aus der Regierung Kassel) und dem Superintendenten, der in der Regel zugleich das Amt des Hofpredigers versah. Das Episkopat lag beim Landgrafen.

Der Kirche in Grebenstein unterstand das Hospital als Versorgungseinrichtung für einheimische und auswärtige Alte und Kranke, verwaltet vom ehrenamtlich tätigen Hospitalsprovisor. Die ebenfalls ehrenamtlich wirkenden Hospitalsvorsteher entschieden über die Aufnahme ins Hospital sowie über die Gewährung von Krediten aus dem Kapitalstock. Darüber hinaus existierte das sogenannte Sondersiechenhaus, eine von der adligen Familie von Schachten unterhaltene Versorgungseinrichtung.

3. Ständische Repräsentation

3.1 Strombezirk
Bei den sogenannten Strombezirken (nach den durch sie fließenden 'Strömen’ Diemel, Fulda, Werra, Eder und Schwalm benannt) handelte sich um die ritterschaftlichen und städtischen Wahlbezirke zum ž Landtag. Der Bürgermeister der ž Stadt Grebenstein und der Besitzer des im Amt Grebenstein liegenden ž Ritterguts Schachten waren berechtigt, an der Versammlung der Städte bzw. der Ritter im Diemelstrombezirk teilzunehmen. Diese beiden Gremien wählten jeweils die regionalen Deputierten zum Hessen-Kasselischen ž Landtag und beratschlagten im Vorfeld über Gravamina (Beschwerden) und Propositionen (Vorschläge).

3.2 Landtag
Der Landtag war eine unregelmäßig stattfindende Versammlung der hessen-kasselischen Landstände. Er wurde vom Landgrafen einberufen, von seinem Landtagskommissar geleitet und tagte in zwei Kurien (die Kurie der Prälaten und der Ritterschaft einerseits, die Städtekurie/Landschaft andererseits). Zu seinen Aufgaben gehörte die Bewilligung von Steuern, gemäß des Mehrfachen eines Quantums („Schreckenberger“), das nach dem Treysaer Anschlag auf die Strombezirke umverteilt wurde. Seit 1650 fanden keine vollen Landtage unter Beteiligung aller Ritter und Städte mehr statt, sondern es tagten Landtags-Ausschüsse, deren Mitglieder von den ž Strombezirken bestimmt wurden. Die Landtage wurden weitgehend vom landesherrlichen Vertreter und von den ritterschaftlichen Deputierten gestaltet, während die Städtedeputierten lediglich durch ihre Sperrminorität bremsend wirkten.

Bis 1744 entsandte die Ritterschaft des Diemelstrombezirks zumeist zwei Deputierte zu den Landtagen, danach üblicherweise nur noch einen Abgeordneten. Ein Bürgermeister von Grebenstein fand sich bis 1754 in etwa der Hälfte aller Fälle unter den Signataren der Landtags-Abschiede, in der Frequenz nur übertroffen von Mitgliedern des Magistrats der Residenzstadt Kassel. Um so auffälliger ist es, dass in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts die Bürgermeister von Grebenstein überhaupt nicht mehr auf dem Landtag präsent waren; an ihre Stelle trat der Magistrat der Nachbarstadt Hofgeismar.

4. Provinz Niederhessen (Regierung Kassel)

Die Regierung Kassel fungierte als regionale Verwaltungsbehörde für die Provinz Niederhessen und als Gericht zweiter Instanz für die dortigen Amtsuntertanen und die Untertanen der Rittergüter. Sie führte die Aufsicht über die ž Ämter der Provinz und war demzufolge auch die vorgesetzte Behörde für den ž Amtsschultheißen. Darüber hinaus diente sie als erste Instanz bei Prozessen gegen Adlige oder „schriftsässige“ (exemte) Bürger. Zugleich nahm die Regierung Kassel wichtige Funktionen wahr bei der Vorbereitung von Gesetzen und Verordnungen für den hessischen Gesamtstaat.

Zur Regierung Kassel gehörte auch der Adocatus fisci, den man als einen behördeninternen Staatsanwalt bezeichnen kann, dem die Aufsicht über die Ämter oblag. Der Advocatus fisci (auch „Fiskal“ genannt) und weitere Mitglieder der Regierung Kassel führten in den Ämtern jährlich das sogenannte Godings- und Landgericht durch, ein Policeygericht in Form von regelmäßig stattfindenden landesherrlichen Visitationen, das der Überprüfung der Amtsführung von geistlichen und weltlichen Bediensteten diente. Die Amtsuntertanen hatten hierbei die Möglichkeit zur Beschwerde über Missstände und die lokalen Amtsträger, dem Landgericht kam somit eine wichtige Kontrollfunktion zu. Die Regierung Kassel konnte darüber hinaus zu bestimmten Anlässen Kommissionen zusammenstellen und mit Untersuchungen beauftragen.

5. Zentralbehörden

5.1 Geheimer Rat
Bis 1770 bildete der Geheime Rat die zentrale, allzuständige Lenkungsbehörde der Landgrafschaft. Der Geheime Rat (Institution) bestand aus mehreren Geheimen Räten (Personen) – in der Regel identisch mit den Chefs der Zentralbehörden – und zusätzlichen Vertrauten des Landgrafen sowie einem Geheimen Sekretär. Eine Ressortgliederung bestand in Ansätzen, war jedoch nicht voll ausgebildet.

5.2 Oberappellationsgericht
Das 1730 eingerichtete Oberappellationsgericht war für Zivil- und Strafrechtsfälle zuständig. Es trat mit dem Erwerb des privilegio de non appellando (1742) als oberstes Appellationsgericht an die Stelle der Reichsgerichte. Die Prozessführung war stark formalisiert, die Parteienvertretung erfolgte ausschließlich durch zugelassene Anwälte.

5.3 Rentkammer
Bei der Rentkammer handelte es sich um die rechnungsführende Zentralbehörde für den Hessen-kasselischen Gesamtstaat. Sie war zuständig für die Domänenverwaltung, die Abrechnung von Abgaben, Diensten, Kontribution und Verbrauchssteuern. Sie kontrollierte die ž Rentmeister, die lokalen Steuererheber (ž Kontributionsrezeptor) und die ž Pächter bzw. Verwalter der Domänen.